Neue Diskussionsreihe für Betriebsräte im Gesundheitswesen: Der BetriebsratsDialog Gesundheit

Die Betriebsräte im Gesundheitssektor und insbesondere in der Pflege stehen vor besonderen Herausforderungen bei der Vertretung der Interessen der Mitarbeitenden. Beschäftigte in den Pflegeberufen sind oftmals, im Vergleich zu Berufen des produzierenden Sektors, in geringerem Umfang gewerkschaftlich engagiert, die Mitarbeitenden engagieren sich in erster Linie für ihre PatientInnen und vernachlässigen oftmals ihre eigenen berufsfachlichen Interessen. 

Strukturelle Personalknappheit erschwert zudem die Arbeit der Mitbestimmung. Hinzu kommt, dass die Vielfalt und Komplexität der zu bearbeitenden Themen steigt. Dies erhöht auch die Notwendigkeit, die Interessen der Beschäftigten in betrieblichen Change-Prozessen zur Geltung zu bringen: Trägerwechsel und Übernahmen, neue Personal- und Qualifikationsmixe in Verbindung mit neuen Konzepten der Arbeitsorganisation, die Zunahme von Arbeitsbelastungen, Digitalisierung und die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle beschreiben nur einige der derzeitigen Herausforderungen in der Mitbestimmung.

In der betrieblichen Praxis zeigt sich, dass es in diesem Zusammenhang nicht selten zu einer unzureichenden Kommunikation und Abstimmung zwischen Belegschaft und Betriebsrat / Personalrat / MAV kommt. Dies schwächt zum einen die Durchsetzungsfähigkeit der Mitbestimmungsgremien, zum anderen ist vielen Beschäftigten gar nicht klar, was Betriebsräte für die Verbesserung des betrieblichen Alltags erwirken (können). 

Die Vielzahl an „gesetzlichen Pflichtaufgaben“ des Betriebsrats erschwert häufig die konsequente Verfolgung der strategisch wichtigen Themen. Konkrete Lösungsschritte zur Verbesserung der Arbeitsbelastung und Gesundheit der Kolleg:innen gehen in der zeitraubenden Gremienarbeit verloren. Trotz hohen Arbeitseinsatzes betrieblicher Interessenvertretungen kommen daher strategische Themen der Mitbestimmungsarbeit nicht voran. Dadurch leidet auch die Anerkennung der Belegschaft für die Betriebsratsarbeit, insbesondere dort, wo Betriebsräte für ihre Aufgaben nicht vollumfänglich freigestellt sind.

Als besonders belastend werden die Arbeitsbedingungen erlebt, wo nicht ausreichende Personalkapazitäten zu einer hohen Belastung und damit zu hohen Krankheitsquoten und damit zu einer noch höheren Belastung der Mitarbeitenden führt. Diese Bedingungen führen zu einer geringen Attraktivität der Berufe und damit zu Schwierigkeiten bei der Besetzung der offenen Stellen. Dieser Kreislauf kann nur durch gemeinsame Anstrengungen zwischen Mitbestimmungsgremien, Politik und Arbeitgebern durchbrochen werden. 

Zielsetzung

Der „BetriebsratsDialog Gesundheit“ will die Vernetzung der Betriebs- und Personalräte und MAVen fördern, damit diese ihre Erfahrungen untereinander austauschen und erfolgreiche Strategien weitergeben bzw. gemeinsam entwickeln.

Darüber hinaus soll auch eine Plattform geschaffen werden, damit die Interessen der Beschäftigten in der politischen Diskussion zur Gestaltung des Gesundheitswesens erörtert werden und der Konflikt zwischen Ökonomie und Gesundheit nicht zu Lasten der Beschäftigten ausgetragen wird. 

Der BetriebsratsDialog Gesundheit setzt dabei zum einen auf einen (1) Peer-to-Peer-Ansatz. Es geht darum, den Wissenstransfer zu relevanten Themen innerhalb der Zielgruppe der betrieblichen Interessenvertretung zu fördern. Die Themen des Wissenstransfers werden unter Beteiligung der Zielgruppe entwickelt, mit dem Ziel, (2) niedrigschwelliges Orientierungswissen und Umsetzungshilfen für die alltägliche Gremienarbeit zu erarbeiten. Darüber hinaus setzt der BetriebsratsDialog Gesundheit nicht auf klassischen Wissenstransfer, sondern versteht sich als Plattform, die begleitend zur betrieblichen Gremienarbeit (3) Impulse, Ideen und Instrumente für die Betriebsratsarbeit auch unter Rückgriff auf externe Expertise nutzbar macht. Insofern eröffnet der BetriebsratsDialog Gesundheit, gegenüber vorliegenden Seminarkonzepten, die Chance, dass drängende Themen für die Gremienarbeit auch kurzfristig aufgegriffen und (4) praktisches Wissen zeitnah organisiert werden können. Und schließlich eröffnet der BetriebsratsDialog Gesundheit die Chance, (5) Potenziale und Erfolgsgeschichten der Betriebsratsarbeit sichtbarer zu machen.

Vorgehen

Der BetriebsratsDialog Gesundheit ist ein Diskussionsangebot der gemeinnützigen Betriebsräte-Beratung SolidarConsult gGmbH in Zusammenarbeit mit dem Institut Arbeit und Technik (IAT) der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen/Ruhr-Universität Bochum wird von Michaela Evans und Michael Schubek geleitet. Das IAT ist wissenschaftlicher Fachpartner des BetriebsratsDialog Gesundheit.

Der BetriebsratsDialog Gesundheit findet vierteljährlich als etwa 1½ stündige digitale Veranstaltung zu einem konkreten Thema statt. In das Fachthema wird durch einen kurzen Impulsvortrag eingeleitet, anschließend findet eine intensive Diskussion in Kleingruppen statt, deren Ergebnisse dann dem Plenum vorgestellt werden. Dieser Aufbau soll das persönliche Kennenlernen, den Erfahrungsaustausch und einen niedrigschwelligen Wissenstransfer unterstützen.

Themenplan

Bei der ersten Diskussion ist folgender Themenplan entstanden, der fortlaufend überarbeitet und ergänzt wird:

  • Betriebsratsarbeit gut vermarkten – erfolgreiche Kommunikation gestalten
    Wie kann den Kolleg:innen der Mehrwert der Mitbestimmungsarbeit vermittelt werden? Wie können die Kolleg:innen erfolgreich angesprochen werden? 
  • Resonanz und Feedback in betrieblichen Veränderungsprozessen: Welche Wege gibt es, um die fachliche Expertise der Mitarbeitenden für die Gremienarbeit nutzbar zu machen? 
  • Betriebliche Gestaltungsspielräume erkennen und erfolgreich nutzen
  • Qualifizierung der Betriebsräte weiterentwickeln: Von der Wissensvermittlung zum Betriebsrats-Management. Was kann man vom agilen Projektmanagement und professioneller Ehrenamtsarbeit übernehmen?
  • Betriebsversammlungen interaktiv und lebendig gestalten
  • Erfahrungen mit der Privatisierung im Gesundheitswesen
  • Betriebsratsarbeit strategisch gestalten: Ressourcen sorgfältig verwenden, Vielfältigkeit des Gremiums nutzen, arbeitsteilig vorgehen

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